von Peter Denlo
Wenn sich sechs Schauspielerinnen und Schauspieler in einem weitläufigen, labyrinthartigen Hotel treffen, um 30 bis 80 Gäste mit Mord und Totschlag zu unterhalten, kann so einiges schiefgehen. WeekendKrimi wird schliesslich ohne Netz und doppelten Boden gespielt. Alles passiert im Hier und Jetzt. Natürlich ist das Wochenende für die Akteure minutiös durchgetaktet, geplant und geprobt, doch vor Ort kommt es immer anders – und meistens wilder.
Seit 2016 spielen wir WeekendKrimis in ausgesuchten, schönen und gemütlichen Hotels. Und ja, auch wir Schauspieler geniessen das Ambiente, das feine Essen und unsere Zimmer. Es gibt wirklich schlimmere Arbeitsorte … Bei unserer allerersten Durchführung eines Krimiwochenendes hatten wir allerdings noch keine Ahnung, welche Tücken dieses Format bieten kann. So wurde Schauspieler Christian Arroyo von Kollegin Isabelle Anne Küng «ermordet», was bedeutete, dass sie einen Hammer neben seinen Körper legen und ihm einen Becher Kunstblut über den Kopf giessen musste. Nichts einfacher als das. Doch die beiden wurden von einer eifrigen Detektivin verfolgt, die um Christians Wohl besorgt war. Während Isabelle versuchte, ihre Rolle durchzuziehen, musste Christian die Zuschauerin irgendwie ablenken. Das Ergebnis? Eine waghalsige Verfolgungsjagd durchs Hotel. Und am Ende goss Christian sich das Blut kurzerhand selbst über den Kopf, warf den Becher weg und stellte sich tot – just in dem Moment, als die Gäste herbeiströmten, um seine Leiche zu begutachten. Adrenalin pur!
Für uns Schauspielerinnen und Schauspieler gibt es während der Wochenenden immer wieder Stressmomente, in denen zeitlich alles wie am Schnürchen laufen muss. Doch manchmal reicht ein einziger Schritt durch den Hotelflur, und plötzlich kommt alles anders. In Grindelwald werden wir regelmässig von asiatischen Touristen wie Stars gefeiert und nach Selfies gefragt. Ich, gestylt als femininer Mitzi, mit Föhnfrisur, Brusthaartoupet und Schnauzbart, posiere mit einer koranischen Touristin, die plötzlich entzückt quietscht: «Beautiful, you look like Hitler!» Ein fragwürdiges und dennoch denkwürdiges Kompliment. Ähnlich erging es Roland Duppenthaler, der als androgynen Pitzi am Schwarzsee plötzlich einen Verehrer am Hals hatte. Der charmante Herr, der eigentlich nur zum Pizzaessen ins Hotel gekommen war, hatte wohl seine Brille vergessen und machte Roland alias Pitzi den Hof, wie man es selten erlebt. Roland musste dem galanten Flirter schliesslich einen Korb geben und sich unauffällig davonstehlen.
Apropos Roland: Der Arme wurde an fast allen Wochenenden von «Spurlos verschwunden» gewalttätig ins Wasser geschmissen. Geplant? Ursprünglich nicht. Als mollige Julia Bleistift hetzte ich ihn wütend durchs Hotel nach draussen, als wir in Ascona plötzlich vor einem prall gefüllten Swimmingpool standen. Die Gäste waren noch einige Meter entfernt, also fragte ich mein «Opfer»: «Darf ich?» – «Wenn du willst …», war die Antwort, und nur wenige Minuten später landete Roland im feuchten Nass. Diese Szene hat sich über viele Wochenenden wiederholt. Und immer frage ich vorher, ob es Roland genehm sei. Roland sagt selten nein – das ist freundschaftliche Improvisation.