Schauspielerin Simone Appel schrieb sich während den Proben zum DinnerKrimi Killer Klinik Hoffnungen und Sorgen von der Seele und nimmt euch mit in den Probenraum – mit Schweiss, Angst und Freuden!

Zur Person:
Nach ihrer dreijährige Ausbildung zur Musicaldarstellerin an der Academy of Stage Arts, folgte das Diplom zur Schauspielerin an der Film Acting School Cologne. Seither ist Simone Appel als Schauspielerin, Regisseurin, Choreografin, Abendspielleiterin, Live-Entertainerin und Showtrainerin unterwegs. Sie arbeitete für die Robinson und Aldiana Clubs, spielte auf der Mein Schiff Flotte und leitete das Schauspielensemble im Europapark Rust. Sie spielte unter anderem am Volkstheater Frankfurt, den Burgfestspielen Bad Vilbel, dem Urania Theater Köln, dem Schlosstheater Neuwied und dem Gloria Theater Bad Säckingen in Stücken wie Harry und Sally, Hair, Blues Brothers, Singing in the Rain und Flashdance. Sie drehte für verschiedene Fernsehsender und war zwölf Jahre fester Bestandteil des ZDF Fernsehballetts Candygirls. Simone ist seit 2024 bei krimi.ch.
Woche 1 – Entdecken und erkunden
Liebes Probentagebuch. Heute ist es endlich so weit: Die erste Leseprobe für Killer Klinik steht an. Und somit auch das erste Aufeinandertreffen aller Beteiligten. Ich schwinge mich also früh morgens ans Steuer meiner «Black Pearl» und düse nach Oberengstringen – Wo is`n das? Über Unter-Engstringen? Vor Hinter-Engstringen? Als gebürtige Hessin, frage ich das Navi um Rat. Ah, nähe Schlieren. Das habe ich schon mal gehört. Dort ist nämlich die Dependance des krimi.ch Büros.
Nach 45 Minuten erreiche ich die Probenlocation – die «Casa Trix». Ich öffne die blaue Tür und… Wow! Was für eine Wohlfühloase! Lachen erfüllt den Raum und ein Stuhlkreis lädt zum Platznehmen ein. Willkommen in der Killerklinik – zumindest für die kommenden fünf Wochen.
Nach ein paar Eingangsworten der «Klinikleitung» Peter Denlo, fordert dieser uns auf, uns einmal kurz vorzustellen. Die kleine Info-Speed-Runde schadet nicht. Schliesslich erlitt ich in der vergangenen Spielzeit nur elf mal den «Tik Tok Tod» und spielte jede Vorstellung in einer immer neu zusammengewürfelten Konstellation. Ähnlich geht es bei Killer Klinik zu. Wir sind zwar acht Schauspieler*innen, doch immer nur vier werden zusammen spielen. Dennoch gibt es nicht Gruppe A und B. Wir mischen uns immer wieder neu.
Zurück zur Leseprobe: Wir erhalten unser Skript und beginnen mit dem Lesen. Schon nach den ersten Seiten wird klar: Das wird vielversprechend! Skurrile, lustige Charaktere, die kein Auge trocken lassen werden, treffen auf eine sehr komplexe Handlung. Die perfekt Fusion für diejenigen, die einfach nur einen locker leicht, witzigen, unterhaltsamen Abend verbringen wollen und die Rätselfüchse, die gar Sherlock Holmes in den Schatten stellen. Nach lesen des 3. Akts, stellt Peter die entscheidende Frage: «Und, wer war’s?» – Ratlose Gesichter. Dann, ein paar mutige Spekulationen. Und schliesslich – die Lösung. So muss ein Krimidinner-Abend sein!
Bewaffnet mit Textbuch und einer ordentlichen Portion Vorfreude (aber auch Respekt), trete ich den Heimweg an. Es geht ans Textlernen. Das handhabt jeder Schauspieler sehr eigen. Ich schreibe mir immer erst einmal meinen Text raus um einen Überblick zu bekommen. Dann folgen Audioaufnahmen von den jeweiligen Akten in zwei Varianten: der komplette Text und der Text mit Lücken, so dass ich meinen Text immer zwischendurch reinsprechen kann. Hat sich dann immer noch nichts gesetzt, wird alles noch mal auf Karteikarten notiert. «Sischer is sischer» – sagt man in Hessen. Killer Klinik ist ein sehr schnelles Stück mit ordentlich Tempo. Da muss der Text in einem sehr frühen Stadium schon gut sitzen. Geprobt wird chronologisch beginnend mit der kurzen Apéro-Szene, gefolgt von Akt 1 bis 4. Es wird schnell gehen und wach sein ist gefragt.
Apropos wach: Dafür sorgt auch Trix, die Herrin des Proberaums, die uns mütterlich umsorgt: Die Kaffeemaschine ist in Betrieb und für den kleinen Hunger zwischendurch hat sie für uns frisches Obst besorgt. Nur eins sollte man nicht tun, wenn die Dame des Hauses nicht zu Gegend ist: Im Alleingang auf die Suche nach Toilettenpapier gehen! Öffnet man die falsche Tür, sorgt ein ohrenbetäubender Alarm für eine definitiv effektivere Wirkung als der Kaffee. Und davon profitieren sogar die Nachbarn! Andererseits hätten wir sonst nie die netten Dachdecker von gegenüber kennengelernt…
Für einige des Klinikpersonals (u.a. auch für mich) heisst es bereits in der ersten Probewoche: Vormittags proben, abends spielen. Denn der DinnerKrimi Testament mit Tücken wird weiterhin noch aufgeführt. Am ersten Proben-Freitag geht’s damit auf den Thunersee. Ich entscheide mich mit dem Campervan zu reisen, da am Folge-Vormittag bereits ab 10:00 Uhr wieder geprobt wird. Nach einer beschwingten, tollen Vorstellung fahre ich nachts noch nach Oberengstingen, um dort auf dem Parkplatz am Strandbad zu kampieren. Die erste Probewoche hinterlässt ihre Spuren: Am Steuer werden die Augen immer schwerer, doch kaum steht der Camper, komme ich dennoch nicht zur Ruhe: 2:00 Uhr. Seltsame Geräusche reissen mich aus dem Schlaf. Ich öffne vorsichtig einen Spalt des Fensters: Kaum 50 cm entfernt, lehnt eine Dame an meinen Camper und murmelt einem Typen etwas auf Schweizerdeutsch entgegen. Dann Geschrei: «Entscheide dich! Entweder er oder ich!» Na bravo! Oberengstringen, drei Uhr nachts und ich mitten im Krimi. Ich gucke nochmals vorsichtig aus dem Fenster. Das streitende Paar hat sich in ihren VW zurückgezogen, der direkt zu wackeln beginnt. Der Mann grunzt, die Frau stöhnt, ich starte den Motor und suche das Weite. Totenstille finde ich dann endlich beim Friedhof. Doch den Schlaf finde ich in dieser Nacht nicht mehr.
Müde taumle ich in den Probenraum. Umso erleichterter bin ich, als ich einen Stapel Handtücher erblicke. Peters Worte sind Musik in meinen Ohren: «Trix hat den Pool aufgemacht. Wer will kann in der Mittagspause den Sommer gebührend verabschieden!» Und ja: das haben wir.
Woche 2 – Strammen Schrittes in die Halbzeit!
Liebes Probentagebuch: Mein Kopf raucht. Halbtags wird geprobt und zwischendurch Text gepaukt. Diese Woche steht im Zeichen des zweiten Akts. Mit diesem sind alle Charaktere, Insassen, Patientinnen, Pfleger, und Ärztinnen eingeführt. Ein buntes Potpourri an skurrilen Gestalten trifft auf ein Feuerwerk an Gags und Leichen.
Es macht unglaublich viel Freude dabei zuzusehen wie die Kollegen ihre Rollen entwickeln und wachsen lassen. Es inspiriert, bereichert, befruchtet und nach 18 Jahren Bühnenerfahrung, darf ich immer noch dazu lernen. So muss es sein. Nur eins ist schade: Kollegin Anna Xandry, mit der ich mir die Position teile, sehe ich leider nie, da wir uns die Klinke gegeben. Wenn ich vormittags probe, probt sie nachmittags - und umgekehrt. Doch eins erinnert mich stets an Sie: Ein tannengrüner Absatz-Schuh, der auf der Treppe thront und wache hält. Ein Gimmick, dass uns beiden beim Finden und Entwickeln einer klumpfussigen, hinkenden Rolle hilft. So denke ich ab und zu an Ana und weiss auch, dass sie mir dicht auf den Fersen ist. Oder ich ihr?
«Ihr Lieben, ich müsste mal los…» Trix unterbricht meine Gedanken. «Ich bräuchte das Auto. Könntet ihr mir kurz helfen?» Peter und ich springen, mit dem Autoschlüssel bewaffnet, auf. Schliesslich sind wir beide die einzigen, die den Carport ausgiebig, im schwarzen Zwillingslook, nutzen. Als ich meine vierrädrige «Knutschkugel» erblicke, traue ich meinen Augen nicht und kann mir ein Prusten kaum verkneifen. «Ich hatte es eilig und nicht mehr daran gedacht, dass eure Wagen ja noch davor stehen, als ich das Garagentor von innen versuchte zu öffnen…», beichtet Trix. Nun ja, offen ist es. Nur eben nicht ganz: Das Garagentor klemmt im Grill meines Mazdas. «Kein Thema, Trix. Es ist ja nichts passiert.» Gekonnt navigiert mich Peter aus der Hofeinfahrt und als mich 20 Sekunden später Ninja, Trix’ Mischlingshund, schwanzwedelnd begrüsst, ist der Vorfall auch schon wieder vergessen.
Woche 3 – Findlings-Crash und Die doppelte Doris
Liebes Probentagebuch: Montagnachmittag - Nach einem Ausflug ins Synchronstudio und Besuch bei der Family in Offenbach biege ich nach langer Fahrt müde auf den Parkplatz vor die «Casa Trix» ein. Auf die Ohren gab’s im Auto die Lücken-Text-Version der Killer Klinik in Dauerschleife. Heute probe ich zum ersten Mal mit Kollege Raphi – spannend. Habe ich mich während den letzten Proben doch an die Spielweise und den Duktus seines Pendant Pauli gewöhnt. Doch auch mit Raphi geht alles gut.
In dieser Woche stehen Akt 3 und 4 auf der Agenda. Bevor wir in die Proben starten, werden Textänderungen und Kürzungen durchgegeben. Dies ist der Fall, wenn eine Szene bereits von der anderen Besetzung geprobt wurde. Da sich das Stück aber kontinuierlich weiterentwickelt und wächst, wird vor jeder Probe verglichen, ob alle auf dem gleichen Stand sind. «Und an dieser Stelle haben wir beschlossen eure Texte einfach zu tauschen, Simone und Raphi. Das macht dramaturgisch mehr Sinn», verkündet Peter – Whaaaat?!?! In meinem Kopf ertönt das Zonk-Geräusch. Emotional betrachtet, habe ich gerade «den Umschlag», «das Auto» und «die Reise» verloren, weil Peter für mich «Tor 3» genommen hat. Ich habe ja nur gerade versucht, mir fünf Stunden lang in Dauerschleife, die zwei Seiten in meinen Schädel zu hämmern… Am Ende des Tages hatte der Autor natürlich recht. Und da man eh eigentlich immer den Text des Spielpartners mitlernt, fiel es auch gar nicht all zu schwer wie erwartet.
«Wir machen Feierabend für heute!» In Anbetracht meines immer höher ausschlagenden Müdigkeitsbarometers, ist diese Info pure Erleichterung. «Simone, könntest du mich vielleicht an die Bushaltestelle fahren? In 2 Minuten geht mein Bus.», fragt mich Raphi, während er den Rucksack packt. «Klar. Gib Gummi – das schaffen wir.» Wir hasten zum Auto, die Anschnallgurte klicken und ich schmeiss den Rückwärtsgang ein. Ein Blick in den Rückspiegel verrät: Zappenduster. Während ich zaghaft nach hinten rolle, frage ich Raffi: «Sag mal siehst du wa…» – krchzzz…! Weiter komme ich nicht. Ein Blick in die Gesichter der, neben dem Auto stehenden, Kolleginnen verheisst nichts Gutes. «Sagt mir bitte, dass das die Hecke war!» – «Nope, das war ein Findling!», erwidert Cécile mit verzerrter Mine. Na bravo! Das Gute: Raffi hat seinen Bus noch bekommen und vielleicht sollte ich ebenfalls auf die Öffis umsteigen…
Alles in allem ist die dritte Probenwoche sehr produktiv. Wurde in den ersten beiden Probenwochen eher Text wiedergegeben, wird nun gespielt. Die Figuren gewinnen an Tiefe und Konstellationen, so wie Beziehungen festigen sich. Dazu trägt eines ganz besonders bei: Die Kostümprobe! Der Fundus hängt fein säuberlich sortiert in den Katakomben der krimi.ch Zentrale in Schlieren. Ein Bonus: Der angrenzende «Heizungs-Wäsche-Raum», mit den zahlreichen, gespannten Wäscheleinen, fungiert als perfekte Umkleide. Rasch sind erste Kleidungsstücke, Perücken und Requisiten gefunden. Und jeder darf beim Catwalk von Schlieren’s Next Klinik-Model seinen Senf dazu geben. So treffen auch Kolleginnen Xandry und ich endlich wieder aufeinander und mimen in mehreren Kostümen das «doppelte Lottchen» oder treffender «die doppelte Doris»! Sogar ein Paar Schuhe teilen wir uns. Sie den rechten – ich den linken.
Woche 4 – Durchlauf und Durchschnauf
Liebes Probentagebuch. Nachdem wir sieben Tage am Stück geprobt haben, sind wir reif für die Insel! Oder jedenfalls für eine Verschnaufpause von fünf Tagen. Zuvor erwartet uns aber noch ein Meilenstein: Der erste Durchlauf des gesamten Stückes – und das auch noch mit Requisiten und im Kostüm.
In der Künstlergarderobe stapeln sich bereits die transparenten Requisiten-Boxen und alle beziehen «ihre Ecken» und legen Kostüme und Perücken aus. «Alle ready?», fragt Peter, «Okay: Go!»
Zack: Sind die ersten beiden Akte schon wieder vorbei, Gefühl? Eigentlich ganz gut. Wir haben kaum unterbrochen. Ein gutes Zeichen.
«Ich habe euch zur Feier des Tages Pastel de Nata aus einer portugiesischen Bäckerei in Schlieren mitgebracht», schmunzelt Peter. Seit meinem ersten Stop in Lissabon als Schauspielerin auf der Mein Schiff, hatte ich nie wieder das Glück in eines dieser Törtchen zu beissen. Ich sage dir, liebes Tagebuch, Dieser Pausensnack kann definitiv mit der Lissabonner Version mithalten. So schweben wir geradezu durch den 3. und 4. Akt. Muss wohl an den Törtchen liegen…
«Jetzt heisst es: Nicht auf dem heutigen Erfolg ausruhen!», feedbackt Peter. Da hat er recht. So eine lange Pause vor Endproben und Premiere) kann auch gefährlich sein. «Übt die Songs und
Choreografien!» - Ach die gibt's ja auch noch… Und davon nicht zu wenig. Puhh! Bis zur Premiere gibt's noch einiges zu tun – aber nur noch eine Woche Zeit…
Woche 5 – Auf der Zielgeraden
Liebes Probentagebuch, nachdem wir uns fast eine ganze Woche nicht gesehen haben, treffen nun die Besetzungen aufeinander, die die Premiere gemeinsam meistern werden. Nach dem ersten gemeinsamen Durchlauf, hört man erleichtertes Durchatmen. Und mit jedem weiteren Durchlauf wächst die Sicherheit.
Am Dienstag darf ich mich einem anderem Entertainment widmen: einer Magenspiegelung – Wuhuuuu. Gleichzeitig wird ein Preview von Killer Klinik vor ausgewähltem Testpublikum, bestehend aus Mitgliedern des krimi.ch Fanclubs, zum Besten gegeben. Feucht-fröhlich soll es dabei in der «Casa Trix» zugegangen sein, mit prickeldem Prosecco und feinen Canapés. Auch wenn die Nervosität sichtlich spürbar war, liessen die Reaktionen des Publikums, so wie der anschliessende Applaus, jegliche (falls vorhandene) Skepsis verfliegen.
Ich schüre meine Vorfreude derweil mit dem Basteln von Premieren-Geschenken. Seit ich denken kann, bereitet es mir immens viel Freude, meinen Mitmenschen mit «Gewerkeltem» ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Ich beschenke sogar lieber, als dass ich beschenkt werde und so wird eifrig im Netz bestellt, um dann die Window-Color-Flasche anzusetzen. Kleiner DIY-Tipp: Hält besser auf Stoff, als jede Textilfarbe.
Nun freue ich mich richtig auf unsere Premiere. Gruppe Ana, Cécile, Pauli und Erich dürfen Donnerstag bereits ran. Für Michele, Raffi, Matthias und mich ist es am Freitag auf dem schönen Thunersee so weit.
Nach gespielter Premiere stehe ich kurz nach 23 Uhr an Kante E vor dem Thuner Bahnhof und warte auf meinen Bus, der mich zurück zum Strandbad und meinem Auto führen soll. «Was für ein Ritt», denke ich mir. Die Premiere war ein voller Erfolg. Die Killer Klink hat voll eingeschlagen! Das Publikum hat Tränen gelacht, sich auf jeden Schabernack eingelassen und unsere Charaktere ins Herz geschlossen. Beseelt, lasse ich mich in den bunten Bussitz mit 90er Jahre Print fallen. Mhhh, lächle ich, morgen nochmal! Ich freue mich. Jetzt geht’s los – endlich spielen!