Immer wieder werde ich gefragt: «Wie schreibst du ein Theaterstück?» Für mich ist die spannendere Frage jedoch: «Wo soll ich es schreiben?» Es ist eine einsame Arbeit, die Freiheit und Disziplin erfordert. Ich brauche die Abgeschiedenheit, um auf den Kuss der Muse zu warten, aber auch die Freiheit, Pausen einzulegen, wenn die Inspiration auf sich warten lässt. Und so verreise ich jeweils für eine Woche, um zu Schreiben.
Für meinen neuesten DinnerKrimi «Sport ist Mord» beschloss ich, vor dem Winter etwas Sonne zu tanken. Mein Ziel: Bari, die Hauptstadt Apuliens, wo ich nicht nur ein sonniges Klima, sondern auch italienischen Charme suchte. Früh am Morgen ging es los – im Zug nach Mailand machte ich mich an die ersten Notizen. Die Ideen sprudelten: eine Geschichte über Fitness, Diäten und natürlich einen Mord. Während der Zug die Adriaküste entlangfuhr, entstanden bereits die ersten Charaktere: eine ambitionierte Fitnesstrainerin, ihr schleimiger Assistent und eine intrigante Klientin.
Ein Hauswart, zwei Nachbarinnen und ein Messer?
Meine Unterkunft in der Altstadt von Bari begrüsste mich mit typisch italienischem Flair – und einem redseligen Hauswart namens Beppo. Sein schnelles Italienisch war für mich zwar eine Herausforderung, doch was ich verstand, versetze mich in kurze Aufruhr: «due donne», «la pasta» und «il coltello» – zwei Frauen, Pasta und ein Messer. Was sollte das bedeuten? Noch während ich darüber nachdachte, bezog ich meine Wohnung und liess den Tag mit einem kühlen Glas Weisswein ausklingen.
Am nächsten Morgen weckte mich der Duft von Espresso und Cornetti, der aus der Bar nebenan herüberwehte. Nach dem Frühstück setzte ich mich an den Laptop, und die Dialoge flossen nur so. Plötzlich jedoch ein lauter Knall – mein Herz setzte kurz aus. Vorsichtig schlich ich zur Wohnungstür. Dort hörte ich zwei Frauenstimmen, die aufgeregt diskutierten. War das ein echter Streit? Oder war ich bereits zu tief in meine eigene Krimigeschichte eingetaucht?
Weihnachtsbäume und Mordfantasien
Am Abend wagte ich mich vorsichtig aus der Wohnung und traf im Flur auf eine Nachbarin in Hausschuhen, die rauchend vor ihrer Tür stand. «Buongiorno», begrüsste ich sie freundlich. Sie blies mir lächelnd einen Schwall Rauch entgegen, als plötzlich eine untersetzte Frau um die Ecke kam – mit einem künstlichen Weihnachtsbaum, den sie mit aller Kraft über den Boden schleifte. Unwillkürlich schoss mir ein Bild in den Kopf: Hatte sie am Morgen ihren Ehemann erschossen, um für die Plastiktanne Platz zu machen? Und hatte sie ihn genauso über den Flur geschleppt und sich seiner Leiche in der grossen Mülltonne vor dem Haus zu entledigen? Später erfuhr ich die Namen der beiden Damen: Frau Ninni und Frau Riccardo. Verdächtig kamen mir beide allemal vor.
Pasta und tödliche Inspirationen
Zwischen meinen Schreibsessions liess ich mich von Baris schmale Gassen treiben. Besonders die «Strada delle Orecchiette», in der Bewohnerinnen handgemachte Pasta formten, zog mich in ihren Bann. Die Pasta-Königin Nunzia (Bild unten) zeigte mir, wie man die perfekten Orecchiette macht – ihre Finger flogen über den Teig, während ich eher ungeschickt kleine Ohren formte. Der Gedanke liess mich nicht los: Eine giftige Tomatensauce würde perfekt an diesen Teigwaren haften bleiben.
Doch zurück zu meiner Geschichte: Beppo, der Hauswart, war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Wo war er hin? Hatten Frau Ninni und Frau Riccardo etwas damit zu tun? Der Duft von Sandelholz, der plötzlich das Treppenhaus durchzog, weckte weitere Verdachtsmomente. Vertuschten die beiden Mörderinnen damit etwa den Gestank einer verwesenden Leiche?
Käse, Käse und noch mehr Käse
Zum Glück klärte sich zumindest Beppos Verschwinden auf. Er tauchte am vierten Tag wieder auf, lebendig und gut gelaunt. Der Grund für sein Verschwinden: Sonderangebote bei Dodeca, einem Supermarkt mit einer beeindruckenden Käsetheke. Ich folgte seinem Rat und deckte mich mit Burrata, Pecorino und Provolone ein.
Frau Ninni überraschte mich bei meiner Rückkehr von der Käsetheke mit einem Glas Rotwein im Treppenhaus. Mit verschmitztem Lächeln hielt sie mir das Glas entgegen, während Frau Riccardo versuchte eine kleine, armselige Tanne neben ihrer Haustür zu einem feierlichen Baum zu schmücken (Bild unten). «Salute» rief sie mir zu, nahm einen Schluck und zündete sich dann eine Zigarette an, während Frau Ninni mir etwas über Panettone erklärte. Ich konnte kaum zuhören, starb ich doch beinah vor Angst, ob dem wohl vergifteten Wein. Hatten die beiden Mörderinnen mich endlich erwischt? Nein... der Wein mundete und ich fühlte mich besser als zuvor. Freundlich bedankte ich mich für den Umtrunk und verschwand in meiner Wohnung. Beim darauffolgenden Käseschmaus am Küchentisch (Bild unten) liess sich der dritte Akt fast von allein schreiben.
Abschied mit Aperitivo
Am letzten Tag zog mich Baris Altstadt noch einmal in ihren Bann. Zwischen Basilika, Trattoria und Aperitivo-Bars fand ich die perfekte Balance zwischen Arbeit und Genuss. Die Figuren meines Krimis nahmen endgültig Gestalt an. Ein Mord im Fitnessstudio, dubiose Verdächtige und ein tödliches Geheimnis – «Sport ist Mord» war fast fertig.
Auf der Rückfahrt nach Zürich schloss ich die letzten Details ab. Während der Zug ruhig durch die Landschaft rollte, fügte sich alles zusammen. Der DinnerKrimi war bereit für die Bühne – und ich bereit für die Proben.
Bari war kriminalistisch wie auch gastronomisch pure Inspiration. Doch beim nächsten Besuch halte ich mich vielleicht von mysteriösen Nachbarinnen fern…